E. Engelenburg, C. I.: Aerodynamische Theorie der Gewitter.
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Archiv 1896* 4.
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dass, wenn er überschritten wird, auch die ganze Erscheinung sich selbst zerstört oder ein neues Gleich
gewicht erreicht. Es ist dieser, dass innerer und äusserer Druck am Umfange des Wirbels gleich sind.
Weil die Intensität des Wirbels, d. h. das Produkt der Rotations-Geschwindigkeit und des Querschnittes
konstant ist, muss, wenn erstere wächst, letztere immer kleiner werden. Gesetzt, dass die Wirbelachse
immer in derselben Hohe über der Erde fortschreitet, dann ist dieser Gleichgewichtszustand schliesslich
abhängig von dieser Höhe und dem Wirbeldiameter. Ist das Gleichgewicht erreicht, dann muss der äussere
statische Druck am Wirbelumfang das Gleichgewicht halten mit dem inneren, vermehrt um die Zentrifugal
kraft, wobei selbstredend die Oberflächen-Spannung der Luft oder Wolkenmasse unberücksichtigt bleiben
kann. Wenn dieser Zustand vorhanden ist, besteht eine einfache Verbindung zwischen der Translations-
Geschwindigkeit der Wirbel relativ zur Erde und der Geschwindigkeit des Sturmwindes unter dem Wirbel
und in der Nähe der Erde, nämlich erstere ist die Hälfte der letzteren. Dieser Fall ist dem Gesetze ge
mäss, welches William Froude für sJcinfriction aufgestellt hat, nämlich dass die Wasserwirbel, welche
diese skinfriction bilden, als Ganzes betrachtet, mit der Hälfte der Schiffsgeschwindigkeit mitgeschleppt
werden. In vielen mir bekannten Fällen ist die Sturmgeschwindigkeit ungefähr doppelt so gross als die
Translations-Geschwindigkeit der Böe. Man braucht keine vollständige Uebereinstimmung der beobachteten
Geschwindigkeiten mit dem Gesetze zu erwarten, weil nur selten und nur für kürzere Zeit dieser Gleich
gewichtszustand vorhanden sein wird, man wird eher und während längerer Zeit die Erscheinung in einem
Zustande der Entwickelung vor oder des Verfalls nach diesem Gleichgewichte antreffen. Zweitens ist die
beobachtete Windgeschwindigkeit kleiner als die wirklich vorhandene in Folge instrumenteller Fehler und
der Einflüsse der Aufstellung.
Wächst die Rotations-Geschwindigkeit, wenn das Gleichgewicht erreicht ist, dann dehnt sich der
Wirbeldiameter plötzlich aus, Rotations - Geschwindigkeit und Zentrifugalkraft vermindern sich schnell und
stark, bis ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht ist, bei welchem der äussere statische Druck am Wirbel-
umfang gleich ist dem inneren^ vermeint um die zentrifugale Kraft.
In Folge dieser plötzlich eintretenden Ausdehnung des Durchschnittes findet eine kräftige Luftverdün
nung und dynamische Abkühlung im Inneren des Wirbels statt, welche zur Kondensation und Hagelbildung
führen muss. In Folge der stark verringerten Rotations-Geschwindigkeit fallen die früher gebildeten mit
wirbelnden Hagelkörner herunter, und zwar hauptsächlich an der Hinterseite des Wirbels, wo sie von der
Eknephias schräg vorwärts geschleudert werden.
Vorausgesetzt, die Wirbelachse schreitet in derselben Höhe weiter, dann nähert sich der Wirbelumfang
in Folge der plötzlichen Ausdehnung der Erdoberfläche, dem zu Folge muss die Geschwindigkeit des Windes
wieder wachsen, trotzdem die kleinere Rotations - Geschwindigkeit die umgebende Luft weniger schnell ent
führt. Mit dem Hagelschauer bricht also ein heftiger Sturmwind los. Die schnell eingetretene Querschnitts-
Vergrösserung dauert noch kürzere Zeit, indem die Winkelgeschwindigkeit sich mindert, doch bald fängt
das Spiel von neuem wieder an. Der zwischen Wirbelrohr und Erdoberfläche gleichsam zusammengepresste
Luftstrom versetzt den Wirbelkörper in immer schnellere Rotation, und dabei wird der Querschnitt wieder
kleiner u. s. w.
Die Skizze auf der folgenden Seite giebt ein schematisches Bild mit übertriebener Querschnitts-Aende-
rung in horizontaler Projektion und im Durchschnitt über PQ des Wirbelkörpers in aufeinanderfolgenden
Ständen. Die Pfeile deuten die Rotationsrichtung an der unteren Seite des Wirbels an, also auch die
Richtung des Sturmwindes und des niederstürzenden Hagels.
Weil die Intensität des Wirbels konstant ist, sowohl nach der Länge, als nach der Zeit, und weil in
normalen Fällen auch kein schroffer Wechsel in zwei benachbarten Diametern Vorkommen kann, muss eine
Verringerung des Wirbelquerschnittes sich allmählich nach beiden Richtungen ausgleichen. In dem ersten
Stadium, der Verkleinerung des Diameters und Vergrösserung der Rotations-Geschwindigkeit, wird von dem
Theile P des Wirbels ausgehend nach links und rechts ein stets länger werdender Theil umgeformt, im
zweiten Stadium, nachdem das Gleichgewicht gestört ist und Diameter und Wirbelgeschwindigkeit sich in
entgegengesetztem Sinne ändern, wird der umgeänderte Theil des Wirbels immer kleiner, bis zuletzt bei Q
wieder der normale Zustand eingetreten ist. Die beiden Theile des Wirbels, wo der normale Querschnitt
in den kleineren übergeht, rücken also anfangs aus einander, um in der zweiten Periode sich wieder zu
nähern und zuletzt in einem Punkte sich zu vereinigen. In Folge der Translation des Wirbels über die
Erde beschreiben beide Stellen des Wirbels auf der Oberfläche der Erde eine Ellipse. Wenn man sich jetzt