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2) Der Physicus ist verpflichtet öffentliche Impfungen abzuhalten, welcher
Pflicht er 4 — 5 Monate des Jahres hindurch allwöchentlich uachkommt. An
Bord der von Bremerhaven abgehenden Auswandererschiffe werden verschiedentlich
Kinder durch die zur Inspection der Schiffe bestellten beiden Aerzte geimpft.
Durch dieselben Aerzte werden die Kapitäne der betreffenden Schiffe mit ge
druckter Anweisung zum Impfen versehen.
3) Die in Bremerhaven geduldeten Prostituirteli sind in 4 Häusern untcr-
gebraoht, in denen sie unter scharfer polizeilicher und ärztlicher Controlle
gehalten werden.
Die ärztliche Untersuchung ihres Gesundheitszustandes erfolgt wöchentlich
zweimal.
4) Auf die Beseitigung hygieiuischor Missstände wird durch gelegentliche
polizeiliche Untersuchungen, namentlich der Gebäude, Bedacht genommen, in
denen Schlachtereien etc. sich befinden oder Betreff deren Beschwerden Seitens
der Aerzte, Miether, Nachbarn etc. einlaufen.
Sobald Epidemien drohen, finden diese Untersuchungen generell und regel
mässig wiederholt im ganzen Orte Statt.
5) Zwei von Privatleuten in Bremerhaven angelegte Wasserleitungen ver
sorgen sowohl die Strassen als auch die meisten Häuser mit Quellwasser aus
einem benachbarten Orte: das in Cysteinen im Orte selbst gesammelte Regen
wasser wird wenig zum Trinken benutzt.
6) Ein Theil der Latrinen führt seinen Inhalt in die fast den ganzen Ort
durchziehenden, regelmässig durchspülten Strassencanäle ab; in andern Latrinen
befinden sich Eimer, deren Inhalt Nachts aus dem Orte geschafft wird, sehr
vereinzelte Latrinen münden in gemauerte Gruben. Sowohl Gruben als Eimer
werden gehörig desiuficirt.
7) Erkrankte Seeleute finden im Allgemeinen zur Zeit noch in einem
Privathospitale Unterkommen, es ist jedoch die Anlage eines städtischen Hospitals
im Werke und schon jetzt stehen für Blattern- und Cholerakrauke öffentliche
Krankensäle und Krankenhaus-Einrichtungen zur Verfügung.
8) Im Winter 1869—70 herrschte in Bremerhaven das Seharlachfieber.
9) Statistische Notizen über das Verhältnis.« der Sterblichkeit zu den Er
krankungen felilen in Bremerhaven.
Es existiren Quarantaiue-Vorschriftcu, um die Einschleppung der Pest von
der Levante aus zu verhüten.
Wenn kein Kranker an Bord und kein durch Pest bewirkter Todesfall in
den letzten 30 Tagen vorgekommen ist, so wird freie Practica ertheilt.
Es wird darauf gesehen, dass weder dem Leben noch der Gesundheit
gefährliche Ladungen auf Auswandererschiffen mitgenommen werden, auch gegen
Ueberfdllung Sorge getragen. Die Auswanderer selbst werden ärztlich untersucht,
an ansteckenden Krankheiten Leidende zurüokgehalten, auf das Vorhandensein
der nöthigen Instrumente und Medikamente geachtet.
In Beziehung auf Desiofection der Auswandererschiffe bestehen folgende
Vorschriften für Reisen nach Gegenden nördlich vom Aequator, für weitere
Reisen verhältnissmässig zu vermehren.
1) Eisenvitriol zum Reinigen des Kielwassers: Schiffe bis zu 200 Last incl.
sind mit 40'S Eisenvitriol auszurüsten; für jede weitere 100 Last (wobei eine
überschiessende Zahl von Lasten für 100 Last gerechnet wird) ist die Quantität
um 15'S zu vermehren.